Urheberrecht: Abstracts von Buchrezensionen grundsätzlich zulässig

In aller Regel ist nur die sprachliche Gestaltung eines Schriftwerkes urheberrechtlich geschützt, nicht aber der gedankliche Inhalt. Der Inhalt des Originals lässt sich daher in eigene Worte zusammenfassen und als sog. Abstract verwerten. Werden aber originelle Formulierungen übernommen, kann – ja nach Ausmaß der Übernahme – eine Verletzung von Urheberrechten vorliegen, so der BGH.

Abstracts vor dem BGH

Das Kulturmagazin Perlentaucher bietet auf der Website www.perlentaucher.deZusammenfassungen von Buchrezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen. Hierzu gehören Buchkritiken aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Süddeutschen Zeitung“. Die Abstracts werden von Perlentaucher-Mitarbeitern in deutlich verkürzter Form erstellt. Besonders aussagekräftige Passagen sind aus den Originalrezensionen eins-zu-eins entnommen und zumeist durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Der Perlentaucher veröffentlicht die Zusammenfassungen auf seiner Website unter den Überschriften „Notiz zur FAZ“ und „Notiz zur SZ“. Die Internet-Buchhandlungen „amazon.de“ und „buecher.de“ haben Lizenzen zum Abdruck der Abstracts.

Urheberrechtsverstoß bei Übernahme von Werkteilen

Ein Text kann als Schriftwerk urheberrechtlich geschützt sein, vgl. dazu bereits die Artikel Urheberrechte an Fachtexten und -informationen und Contentklau unter Anwälten.

Der Schutz durch das Urheberrecht beschränkt sich aber nicht auf vollständige Texte. Schon einzelne Textpassagen können als Werkteil geschützt sein, wenn die konkrete Gedankenführung die Anforderungen an eine persönliche geistige Schöpfung erfüllt. Textaufbau und -gestaltung liegen allerdings nur im Bereich des Alltäglichen und Handwerklichen, soweit sie durch Üblichkeit, Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit bestimmt oder durch die der Thematik innewohnende Sachlogik vorgegeben sind. Nicht geschützt sind auch Fachbegriffe, typische Ausdrucksweisen und Formulierungen. Hinter dem Werk stehende Ideen, Fakten und Geschehnisse sind von vornherein als Gemeingut frei.

Zu fragen ist also: Kommt bereits in der konkreten Textpassage eine eigenschöpferische Gedankenformung und -führung, eine (besonders) geistvolle Form und Art der Sammlung, Einteilung oder Anordnung des dargebotenen Stoffes zum Ausdruck? Lässt sich eine schutzfähige individuelle Prägung (bezogen auf das „Wie“ der sprachlichen Gestaltung) bereits in diesem speziellen Textteil feststellen? Etwa durch „originelle Formulierungen“?

Einzelfallwürdigung durch das OLG Frankfurt

Ob sich derartige Textteile in den Abstracts wieder finden, die den Originalrezensionen entstammen, wird das Berufungsgericht nun hinsichtlich aller 20 streitgegenständlichen Perlentaucher-Zusammenfassungen zu beurteilen haben.

Würde dies für den ein oder anderen Textteil bejaht, bedeutete die Übernahme in die Zusammenfassung einen Urheberrechtsverstoß: Auch Werkteile dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht oder verwerten, vgl. § 23 S.1 UrhG(zustimmungspflichtige, sog. unfreie Bearbeitung). Aus einer Kennzeichnung der übernommenen besonders aussagekräftigen Originalpassagen durch Anführungszeichen ergäbe sich keine andere Beurteilung. Für das Zitatrecht fehlte jedenfalls die Belegfunktion, vgl. hierzu die Artikel Metropolis: Maschinenmensch durch Urheberrecht geschützt und OLG Köln: Sat.1 durfte DSDS-Filmmaterial senden.

Originaltextteile, die das Schutzniveau eines Werkteils hingegen nicht erreichen, lassen sich übernehmen. Ein Abstract, erstellt unter Verwendung derartiger Originalbestandteile, wäre ein selbständiges Werk nach § 24 I UrhG (sog. freie Benutzung). Zur Veröffentlichung und Verwertung bedürfte es keiner Einwilligung des Urhebers der Originalrezension.

Wie die Entscheidung des Berufungsgerichts ausfallen wird, ist offen. Der BGH betont ausdrücklich, dass die Beurteilung bei den verschiedenen Abstracts zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, da sich die Frage nicht allgemein, sondern aufgrund einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalles beantworten lässt.