Strafbewehrte Unterlassungserklärung - und ihr Umfang

Die Wiederholungsgefahr von Unterlassungsansprüchen aus dem Gewerblichen Rechtsschutz, Medien- und Urheberrecht wird regelmäßig beseitigt durch eine Unterlassungserklärung, die eine angemessene Vertragsstrafe enthält. Die auferlegte Unterlassungsverpflichtung kennt jedoch Grenzen, wie durch OLG Frankfurt bekräftigt.

Vertragsstrafe vs. Wiederholungsgefahr 

Grundsätzlich unterstellt das Recht demjenigen, der z.B. Urheberrechte (§ 97 Abs.1 UrhG), Markenrechte (§ 14 Abs. 5 MarkenG) oder werberechtliche Bestimmungen (§ 8 Abs.1 UWG) missachtet hat, dieses erneut zu tun. Gemäß der Rechtsprechung des BGH wird eine Wiederholungsgefahr aufgrund der Lebenserfahrung (widerlegbar) vermutet - getreu dem Motto: Wer es einmal tut, wird es auch wiedertun. 

Um diese generelle Vermutung auszuräumen, muss der Empfänger einer Abmahnung aktiv werden. Durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (auch Unterlassungsverpflichtungserklärung, Unterwerfungserklärung) kann er bekunden, einen (vermeintlichen) Rechtsverstoß zukünftig zu unterlassen. Erforderlich ist

  • eine ernst gemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende, eindeutige und unwiderrufliche Unterlassungserklärung;
  • die eine angemessene Vertragsstrafe für den Fall künftiger Zuwiderhandlung vorsieht,

so jüngst der BGH zur Bestätigung seiner langjährigen Rechtsprechung. Die Unterlassungserklärung kann dabei auch nach dem sog. "Hamburger Brauch" abgegeben werden, also ohne bezifferte Vertragsstrafe mit der Verpflichtung,

  • "für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung einen von dem Abmahnenden nach billigem Ermessen festzusetzende und im Streitfall vom zuständigen Gericht auf ihre Angemessenheit zu überprüfende Vertragsstrafe zu zahlen."

Worauf erstreckt sich die Unterlassungsverpflichtung?

Auf der Grundlage dieses eingeräumten Vertragsstrafeversprechens sind zunächst natürlich jene Handlungen zu unterlassen, die der konkreten Verletzungform entsprechen: die identische Wiederholung des Rechtsverstoßes. Umfasst sind nach der sog. Kerntheorie aber auch Verhaltensweisen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet.

Kerngleich sind z.B. Veröffentlichungen des Gesamtfotos anstelle des bisher genutzten Bildausschnitts oder weiterer Memes (Wort-Bild-Kombinationen) mit einem Falschzitat einer Politikerin bei Facebook.

Und im Rechtsstreit vor dem OLG Frankfurt?

Dem Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt lag ein erstinstanzliches Urteil des LG Darmstadt zugrunde. Der Kläger, ein seit Jahrzehnten unter seinem Künstlernamen weltweit bekannter Musikproduzent und DJ, machte eine Vertragsstrafe in sechsstelliger Höhe geltend unter Bezug auf eine im Jahr 2001 durch die Beklagte abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Die Beklagte ist ein international aufgestelltes Unternehmen der Musik- und Medienbranche. Sie hatte sich seinerzeit per "Hamburger Brauch" dazu verpflichtet, es zu unterlassen

  • "in Compact Discs mit Schallaufnahmen des Klägers Einlegekarten ... mit Angeboten zum Verkauf von Postern, T-Shirts und/oder Schlüsselanhängern ... einzulegen und/oder mit derartigen Einlegekarten versehene Compact Discs zu verbreiten und/oder sonst in Verkehr zu bringen".

Ende 2019 bot die Beklagte in ihrem Webshop diverse Marketingartikel unter Nutzung des Künstlernamens des Klägers an, u.a. T-Shirts, Schlüsselanhänger und -bänder, Jo-Jos und Mousepads. Hierbei handele es sich aber ersichtlich nicht um das Einlegen von Karten und Compact Discs oder das Inverkehrbringen solcher mit Einlegekarten versehener Compact Discs, so das LG Darmstadt auf S.9 des Urteilsumdrucks. Dass mit der Verpflichtung, Werbemaßnahmen durch Einlegekarten in Compact Discs zu unterlassen, zugleich eine Erklärung abgegeben worden sei, auch auf den Vertrieb von T-Shirts, Mousepads etc. zu verzichten, finde im Wortlaut der Unterlassungserklärung keine Stütze. Wie auch im Rahmen der Klage- und Berufungserwiderung zugunsten der Beklagten vorgetragen, sei ein "Erst-recht-Schluss" aufgrund der engen Formulierung der Unterlassung unzulässig - eine kerngleiche Verletzungshandlung liege nicht vor.

Das OLG Frankfurt bestätigte die erstinstanzlichen Ausführungen. Ein Hinweis des Senats führte zur Rücknahme der Berufung durch den Kläger.

Praxistipps

Einmal mehr zeigt die Praxis, dass auf die Formulierung einer Unterlassungserklärung stets besonderes Augenmerk zu richten ist - wie auch auf die Prüfung einer solchen, um aussichtslose Gerichtsverfahren nebst hoher Kosten zu vermeiden.

Für Inhalt und Umfang der Unterlassungsverpflichtung gilt daher Folgendes:

  • Einerseits macht es auf Seiten des (vermeintlichen) Rechtsverletzers natürlich Sinn, die Unterlassung auf die Verletzungsform zuzuschneiden, also eng zu formulieren - immerhin bleibt er ja lebenslang an seine Erklärung gebunden, ohne dass es eine Verjährung gäbe.
  • Andererseits muss die Verpflichtung den Anspruchsgegenstand nach Inhalt und Umfang aber voll abdecken, und zwar, wie ausgeführt, inklusive der kerngleichen Verletzungshandlungen.

Die Formulierung einer Unterlassungserklärung erfordert also nicht selten ein gewisses Fingerspitzengefühl. Dies gilt besonders für Abmahnungen im Urheberrecht: In diesem Rechtsgebiet führt eine vorformulierte Unterlassungsverpflichtung, die erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht, gar zur Unwirksamkeit der Abmahnung, vgl. § 97a Abs.1 Nr.4, S.2 UrhG. Davon hängt z.B. ab, ob der Abmahnende Erstattung seiner Anwaltskosten verlangen kann, vgl. § 97a Abs. 3 S.1 UrhG und ob dem Abgemahnten seinerseits zur Rechtsverteidigung gegen die (unwirksame?) Abmahnung ein Erstattungsanspruch zusteht, vgl. § 97a Abs. 4, S.1 UrhG. Auch insoweit kann eine genauere Prüfung der (vorformulierten) Unterlassungserklärung sicher nicht schaden!

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