Product Placement im Rahmen der neuen „EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“

Rasanter technologischer Fortschritt, veränderte Nutzergewohnheiten und Globalisierung haben die Medienlandschaft geprägt und werden sie auch zukünftig beeinflussen. Mit der neuen „EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ unternimmt die EU einen ersten Schritt, die bisher auf das analoge Fernsehen ausgerichtete Fernsehrichtlinie an die digitale technologische Entwicklung anzupassen.

So werden nun u.a. auch Mediendienste auf Abruf (z. B. Video on demand) erfasst. Auch wenn zu befürchten ist, dass die neuen Vorschriften aufgrund rasanter Technologiesprünge nicht lange mit den Entwicklungen der Praxis mithalten können, gibt es keine Alternative. Ein Beibehalten der Fernsehrichtlinie würde in Bezug auf die Werbefinanzierung bedeuten, dass die Wettbewerbsunterschiede zwischen traditionellem Fernsehen und fernsehähnlichen Angeboten im Internet fortbestehen. Die traditionellen Fernsehsender könnten sich dann auf lange Sicht nur schwer gegen das Internet behaupten.

Product Placement als neues Werbeinstrument

Insbesondere im Hinblick auf die Liberalisierung der Werbevorschriften wird mit der Richtlinie ein Spagat zwischen den Interessen der Werbetreibenden und der werbefinanzierten Sender sowie dem Schutz des Zuschauers versucht. Die Lockerung der quantitativen Werbevorschriften tritt nicht wie erwartet ein. Stattdessen wird mit Product Placement ein Werbeinstrument legalisiert, dessen Wirkung nicht abschließend bewiesen ist, das jedoch die Unabhängigkeit der Medienlandschaft beeinflussen kann. Zudem wird mit der Liberalisierung zumindest eine partielle Aufweichung des Trennungsgebotes von Werbung und Programm in Kauf genommen. Ob Product Placement den Privatsendern wirklich die erhofften zusätzlichen Einnahmen ermöglichen kann, ist heute noch nicht abzuschätzen. Dafür sind das potentielle Marktvolumen und die erzielbare Wirkung und damit das Interesse der Werbetreibenden zu ungewiss. Fest steht jedoch, dass die Freigabe von Product Platzierung zu einer weiteren Werbedurchdringung des Programms führen wird.

Transparenz für den Zuschauer und gleiche Wettbewerbschancen

Insbesondere die privaten Fernsehsender führen an, dass der Zuschauer das entscheidende Regulativ sei, da er auf ein Zuviel an Werbung mit Ablehnung und Wegschalten reagieren würde. Allerdings kann der Zuschauer diesen Einfluss nur ausüben, wenn er auch erkennt, dass er mit Werbung konfrontiert wird. Dies führt wiederum zu der Frage, inwiefern die vorgeschriebenen Hinweise vor und nach der Sendung sowie nach jeder Werbepause geeignet sind, für den Zuschauer transparent zu machen, wo es sich um aus werblichen Interessen platzierte Produkte handelt.

In einigen Bereichen (wie z. B. dem Umgang mit Ankaufproduktionen, die übermäßiges Product Placement enthalten) weist die Richtlinie Schwachstellen auf. Hier bedarf es konkreter Ausformulierungen auf nationaler Ebene. Um die Idee der Richtlinie zu verwirklichen, d. h. gleiche Wettbewerbschancen für alle (europäischen) Mediendiensteanbieter zu schaffen, kommt es jedoch darauf an, dass die Mitgliedstaaten die Regelungen national weitgehend einheitlich umsetzen. Dies kann jedoch nur dann geschehen, wenn die Mitgliedstaaten beim Product Placement auch entgegen ihrer Bedenken keine restriktiveren Regelungen erlassen. Die bisherigen Schleichwerbefälle haben gezeigt, dass ein gesetzliches Verbot die Werbefreiheit nicht gewährleistet. Der Vorstoß der EU folgt letztendlich nur der gängigen Praxis.

Der Zuschauer wird sich damit arrangieren müssen, dass das Programm nicht werbefrei ist und auch in der Vergangenheit nicht war. Vielleicht ist diese Erkenntnis aber auch ein Weg dahin, sich als Rezipient nicht einfach von audiovisuellen Angeboten berieseln zu lassen. Um Werbung und unerlaubte Beeinflussung erkennen und einordnen zu können, benötigen sowohl Kinder als auch Erwachsene Medienkompetenz. Eine Fähigkeit, die in der heutigen Mediengesellschaft eigentlich unabdingbar ist.

Auswirkungen auf die Medienlandschaft

Zum heutigen Zeitpunkt gibt es nur theoretische Überlegungen, was sich in der Medienlandschaft durch eine Liberalisierung von Product Placement ändern könnte. Die tatsächlichen Auswirkungen werden erst mit einer Verzögerung von einigen Jahren, vielleicht auch einem Jahrzehnt nach Inkrafttreten sichtbar. Ob die Liberalisierung der entscheidende Schritt war, um den Fortbestand des werbefinanzierten Fernsehens zu sichern und sich gegen das Internet zu behaupten und/oder ob damit der Niedergang objektiver Berichterstattung eingeläutet wurde, wird sich erst dann zeigen. Darüber hinaus ist die Fragestellung der Auswirkungen auf die Medienlandschaft in einen größeren Kontext einzuordnen. Die werbetreibenden Sender haben sich von der neuen Richtlinie eine Lockerung der Werbevorschriften und eine Lösung ihrer Finanzprobleme versprochen. Das Finanzproblem ist jedoch nicht einer zu geringen Werbezeit oder zu restriktiver Unterbrechungsvorschriften geschuldet. Es ist vor allem ein technologisches und gesellschaftliches Problem. In einer hochtechnisierten Gesellschaft haben die Rezipienten die Überallverfügbarkeit medialer Inhalte entdeckt. Internetbasierte Anwendungen ermöglichen es, auch audiovisuelle Inhalte fast immer und überall zu konsumieren. Und wenn das Gewünschte gerade nicht verfügbar ist, findet sich die passende Alternative. Nur noch selten sitzt die kaufkräftige Zielgruppe vor dem Fernseher. Deshalb schauen sich die Werbetreibenden nach Alternativen um. Hier schafft weder eine Erhöhung der Werbezeit noch die Liberalisierung von Product Placement Abhilfe. Ob mit oder ohne Product Placement: Die Medienlandschaft wird sich weiter verändern, die Zahl der frei empfangbaren Fernsehsender wird sich reduzieren und Fernsehen in der heutigen Form könnte auf lange Sicht seinen Status als Massenmedium verlieren.

Gekürztes und überarbeitetes Fazit der Diplomarbeit "Product Placement im Rahmen der neuen EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste - Chance oder Bedrohung für die Medienlandschaft", von Diplom-Medienökonomin (FH) Stephanie Kunzia, Rheinische Fachhochschule Köln, Wintersemester 2007/2008.

Gemäß Art. 1 m) der Richtlinie ist „Produktplatzierung jede Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die entsprechende Marke einzubeziehen bzw. darauf Bezug zu nehmen, so dass diese innerhalb einer Sendung erscheinen.“ Zur Position der Privaten vgl. VPRT: Eckpunkte zur Werbeliberalisierung, Januar 2006.