Marktforschung durch Telefonumfragen, Fax und Mail

Markt-, Medien- und Sozialforschung liefern wichtige Erkenntnisse für Wirtschaft und Gesellschaft. Wissenschaft und Forschung sind grundgesetzlich geschützt. Dürfen Markt- und Meinungsforscher aber – ohne vorheriges Einverständnis – zum Telefon greifen oder Faxe bzw. Mails verschicken?

Manchmal muss es halt schnell gehen: Da sind aktuelle Meinungen zu einem bestimmten Ereignis gefragt, so etwa beim Stimmungsbild der Bahnstreiks oder beim G8-Gipfel Heiligendamm. Was liegt da näher, als schnell zum Hörer zu greifen und vom Angerufenen, so er denn mitmacht, direkte Antworten zu erhalten? Das Grundgesetz betont die Freiheit von Forschung und Lehre, hierunter fällt auch die repräsentative Forschung, die gerade durch die Anonymität einer telefonischen Umfrage gewährleistet wird. Markt- und Meinungsforscher haben ein legitimes Interesse an (effizienter) beruflicher Betätigung. Andererseits: Jeder Angerufene kann sich auf Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre berufen. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb schützt zudem vor unzumutbaren Belästigungen durch Werbung etwa per Anruf, Fax oder Mail.

Werbung oder Wissenschaft?

Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung ist unzulässig. Entsprechendes gilt bei Telefonanrufen gegenüber Unternehmen, wenn kein mutmaßliches Interesse des Angerufenen besteht.Nach diesen Grundsätzen sind auch Telefoninterviews zu beurteilen, wenn diese (zeit- oder teilweise) werblichen Charakter aufweisen. Getarnte Werbeanrufe sind wettbewerbswidrig, sie verletzten Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre des Angerufenen.

Schwieriger ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn eine von einem Marktforschungsunternehmen im Auftrag eines Unternehmens durchgeführte Verbraucherumfrage nur mittelbar der Absatzförderung dient. Werden durch unerbetene telefonische Umfrage Verbrauchergewohnheiten im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen des Auftraggebers erfragt, liegt nach einem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf eine unzumutbare Belästigung vor. Anderes könne nur gelten, wenn ein wissenschaftliches Interesse, also ein auf die Ansammlung von Wissen zu übergeordneten Zwecken gerichtetes Erkenntnisinteresse, bestehe.

Wettbewerbswidrig handelte nach OLG Oldenburg auch ein Marktforschungsinstitut, das im Auftrag eines pharmazeutischen Herstellers per Telefax versucht hatte, Ärzte gegen Zahlung von € 70,00 zu einer ca. 45-minütigen Befragung zur Behandlung der Krankheit Morbus Bechterew zu bewegen. Zwar habe man die Befragung gegenüber den Ärzten als Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung dargestellt. Dem Meinungsforschungsunternehmen sei es jedoch um kommerzielle Interessen gegangen. Es habe das Datenmaterial ohne eigene wissenschaftliche Auswertung unmittelbar an das Pharmaunternehmen übermittelt und bei der beabsichtigen Marktstudie kaum demoskopisch-sozialwissenschaftliche Forschungsziele verfolgt.

Nichts ist Wissenschaft, alles ist Wissenschaft

Wie unterschiedlich die Beurteilungen der Gerichte ausfallen können, zeigen die beiden folgenden Fälle:

Das Amtsgericht Schöneberg sieht im Bereich der Marktforschung grundsätzlich das kommerzielle Interesse im Vordergrund. Das Gericht beurteilte eine Telefonumfrage einer Bank zur Verbesserung von Servicemaßnahmen als Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Ein Forschungsunternehmen werde im Bereich der Marktforschung jedenfalls unternehmerisch tätig, indem es für den Auftraggeber Informationen sammle etwa zur Erkundung neuer Absatzmöglichkeiten, für den zweckmäßigen Einsatz von Werbemitteln oder für die Anpassung an veränderte Verbrauchsgewohnheiten. Es komme nicht allein auf die Methodik an, mögen die angewandten Verfahren auch wissenschaftlichen Kriterien genügen, sondern auch auf den Zweck einer durchgeführten Marktstudie.

Das Landgericht München betont hingegen die sachliche Informationsgewinnung bei einer an ca. 9000 Steuerkanzleien versandten Mail eines Magazins. Die "Steuerberaterumfrage" diene nicht einmal mittelbar der Absatzförderung. Aus ihr sei zu entnehmen, dass es um die Gewinnung von Umfrageergebnissen gehe, die in einer künftigen Ausgabe der Zeitschrift präsentiert werden sollen. Es handle sich nicht um „verkappte Werbung“. Die Mail sei eine Recherchemaßnahme, um Top-Spezialisten im Magazin vorzustellen. Sie habe insbesondere auch dem Kläger die Möglichkeit gegeben, sich zu präsentieren.

Art. 5 Abs.3 GG§ 7 Abs.2 UWG; Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, Urt. v. 6. April 2006 – 410D C 30/60; OLG Oldenburg, Urt. v. 24. November 2005 – 1 U 49/05; Amtsgericht Schöneberg, Urt. v. 23. Mai 2006 – 4 C 218/05, so auch LG Hamburg, Urt. v. 30. Juni 2006 - 309 S 276/05, GRUR 2007, 61; LG München I, Urt. v. 15. November 2006 – 33 O 11693/06 (nicht rechtskräftig), JurPC Web-Dok. 48/2007.