Knebelverträge bei „Germany´s Next Topmodel“?

Laut Bild.de sollen Heidi Klums Nachwuchsmodels nach Strich und Faden ausgenutzt werden. Bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen hätten die Mädchen im ersten Jahr an ProSieben und die zum Sender gehörende Modelagentur „Face your Brand“ abzugeben.

Im zweiten Jahr seien dann 35 und ab dem dritten immer noch 30 Prozent der Gage fällig. Der geheime Knebelvertrag könne zudem durch den TV-Sender um zwei Jahre verlängert werden, und zwar ohne Zustimmung der Mädchen. In der „Welt am Sonntag“ vom 6. April 2008 bestreitet Günther Klum, dass Heidis Models bis zu 40 Prozent ihrer Gagen abgeben müssen, es sei weniger. Außerdem zahle natürlich jedes Model Agenturprovision, das sei normal.

Knebelvertrag

Der Begriff des Knebelvertrages findet sich nicht im Gesetz, geregelt sind aber Grenzen der Vertragsfreiheit – und damit auch Grenzen einer Knebelung. So ist z. B. ein sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig. Ein Geschäft ist allerdings erst dann sittenwidrig, wenn es seinem Gesamtcharakter nach mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist – so der BGH zur Bestätigung seiner Rechtsprechung noch Mitte Januar 2008. Entscheidend sind Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Die Sittenwidrigkeit kann sich aus einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergeben. Ein solches Missverhältnis hält die Rechtsprechung grundsätzlich für gegeben, wenn der zu zahlende Preis knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Leistung oder marktübliche Preis. Es sind sämtliche Rechte und Pflichten der Parteien in einer Gesamtbetrachtung gegenüber zu stellen, die Bezeichnung des Vertrages spielt hierbei eine nur untergeordnete Rolle. Zu fragen ist also zunächst:

Welche Leistung erhält das Model?

Der (typische) Agenturvertrag ist vorwiegend auf die Vermittlung von Engagements gerichtet. Er kann zusätzliche Tätigkeiten wie Werbung, Akquisition, Pflege von Kontakten, Beratung und Vertragsverhandlungen umfassen.

Über diese schwerpunktmäßige Verschaffung von Engagements geht das Management eines Models hinaus. Ziel ist es hier, die Karriere des Models insgesamt zu fördern, also durch strategische Planung, Beratung und Maßnahmen zur Bekanntheit oder sogar zur Berühmtheit zu verhelfen. Bei derart weit gehenden Leistungspflichten kann auch die Gegenleistung entsprechend hoch angesetzt sein. In Deutschland sind insoweit Beteiligungen von 25 Prozent der Nettoeinnahmen des Models (markt-) üblich, seltener auch mal 30 Prozent.

Im April 2007 urteilte das Landgericht Berlin, eine Beteiligung in einem Managementvertrag einer Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin in Höhe von 26 Prozent der Nettoeinnahmen sei „unstreitig am oberen Rand des Üblichen“. In diesem Fall kam hinzu, dass die Sängerin verantwortlich sein sollte für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung der Verwertungsverträge inkl. der Kosten einer Tournee nebst Musikergagen – unüblich und sittenwidrig. Der Managervertrag war rechtsunwirksam.

Vertragsdauer als Knebelung?

Nach den Ausführungen von Bild.de könne der Knebelvertrag zudem durch ProSieben um zwei Jahre unabhängig von einer Zustimmung der Mädchen verlängert werden. Eine solche Verlängerungsoption ist allerdings weder unüblich, noch als „tiefer Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit“ zu werten. Wie ausgeführt geht es beim Management, und anders als bei der bloßen Vermittlung von Engagements, um strategischen und langfristigen Imageaufbau zur Erhöhung der Popularität des Models. Diese Bestrebungen wirken sich oftmals erst nach Jahren aus.

Sehr weit gehend urteilte allerdings OLG Hamburg im Juli 2007 bzgl. eines Managementvertrages im Bereich Entertainment (Schauspiel und Musical): Es handle sich hierbei um eine naturgemäß langfristige und auf ein möglichst unbeeinflusstes Handeln angelegte Aufgabe, die weder eine beiderseitige Vertragsbindung von fünf (!) Jahren noch eine exklusive Handlungsbefugnis des Managements als sittenwidrig erscheinen lasse.

OLG Frankfurt hält demgegenüber eine Laufzeit von fünf Jahren in einem Managementvertrag eines Profifußballers für rechtswidrig. Bei Berufssportlern seien mehrjährige Beschränkungen besonders problematisch, weil die sportliche Karriere naturgemäß nur während eines eng begrenzten Lebensabschnitts möglich ist. Vergleichbare Erwägungen gelten auch für die Modelkarriere, eine fünfjährige Vertragsbindung wäre daher jedenfalls rechtswidrig.

Knebel-Verträge bei Heidi-Klum-Show, Bild.de vom  5. April 2008§ 138 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft, Wucher); BGH, Urt. v. 17. Januar 2008 – III ZR 239/06, www.bundesgerichtshof.de; OLG Frankfurt, Urt. v. 5. Februar 2008 – 18 U 59/07 (auffälliges Missverhältnis durch überhöhte Maklerprovision); LG Berlin, Urt. v. 24. April 2007 – 15 O 438/05, ZUM 2007, 754 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 30. Juli 2007 – 5 U 198/06, ZUM 2008, 144 ff.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23. August 2005 – 2/25 O 298/04; vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 18. Januar 2002 – 1 U 21/01 via www.nrwe.de.