Keine Aufsichtspflicht der Eltern für ihre Kinder im Internet

Das Urheberrecht ändert sich ständig, es ist kompliziert und unübersichtlich. Von Eltern lässt sich daher eine Einweisung ihrer Kinder mit Blick auf die „Gefahren im Internet“ und eine ständige Überwachung zur Vermeidung von Rechtsverletzungen nicht verlangen. So OLG München, das nun ein anders lautendes Urteil des LG München korrigierte.

Mitte 2008 hatte die Vorinstanz entschieden, dass Eltern neben ihren Kindern haftbar gemacht werden könnten, wenn diese über den bereitgestellten elterlichen Internetzugang Urheberrechtsverstöße begingen. Minderjährige bedürften stets der Aufsicht, erforderlich seien eine einweisende Belehrung und eine laufende Überwachung der Internetnutzung des Kindes, so LG München im Urteil vom 19. Juni 2008. Die 16-jährige Tochter hatte Videos auf Internetportalen www.myvideo.de und www.video.web.de eingestellt, die aus urheberrechtlich geschützten Fotografien hergestellt waren. Das Urteil des Landgerichts sorgte aufgrund der strengen Anforderungen an die Eltern bundesweit für Aufsehen, weitere Einzelheiten im Artikel Eltern haften für ihre Kinder, auch im Internet?

Elterliche Aufsichtspflichten

Eltern sind grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der Minderjährige einem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Ersatzpflicht gilt jedoch nicht, wenn die Eltern nachweisen, dass sie ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben oder dass der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten wäre (sog. Exkulpation).

Wie weit muss ein Kind oder ein Jugendlicher aber beaufsichtigt werden? Der Umfang der Aufsichtspflichten ergibt sich aus der konkreten Situation. Der Aufsichtspflichtige erfüllt seine Pflichten nur dann, wenn er alles Erforderliche getan hat im Hinblick auf kindesbezogene Umstände (wie Alter, Entwicklungsstand, Erfahrungen, Eigenart und Charakter) und die zur Rechtsgutsverletzung führende konkrete Situation. Wie intensiv eine Aufsicht zu erfolgen hat, hat der Aufsichtsführende selbst zu erkennen. Er muss sich daher grundsätzlich auch darum kümmern, womit sich die Kinder in der Freizeit beschäftigen und sie insoweit gelegentlich beobachten.

Keine einweisende Belehrung und laufende Überwachung

Geht die Aufsichtpflicht aber auch so weit, dass über „urheberrechtliche Gefahren“ im Internet zu belehren ist? Nein, so das OLG München und damit anders als die Richter des Landgerichts. Das Urheberrecht sei infolge ständig wechselnder Änderungen des Urheberrechts derart kompliziert und unübersichtlich, dass von einem nicht auf Urheberrechtsfragen spezialisierten Mitbürger nicht erwartet werden könne, diese auch nur halbwegs richtig beantworten zu können. Auch eine ständige Überwachung des Minderjährigen sei nicht zu verlangen.

Mit dieser Begründung wies das OLG München die Klage der Urheberin der Fotografien ab. Das Urteil gegen die 16-Jährige selbst bestätigte das Gericht allerdings. Nun erhält das LG München den Fall zurück und hat den Schadenersatz zu bemessen, den die Minderjährige zu zahlen hat. In der Verhandlung vor dem OLG bot sie € 1.000,00 an, die Urheberin wollte aber € 1.500,00.

Fazit

Das Urteil gilt für den Bezirk des OLG München – andere OLGs mögen daher anders entscheiden. So hält das OLG Frankfurt eine einweisende Belehrung für erforderlich, vgl. auch dazu den Artikel Eltern haften für ihre Kinder, auch im Internet? Allein schon, um die eigenen Kinder vor solch hohen finanziellen Belastungen freizuhalten, sind Einweisung und ggf. auch ein (gemeinsamer) IT-Kurs mit den entsprechenden Lerninhalten zu empfehlen.