Abmahn-„Disclaimer“ auf Websites
Im Netz finden sich verschiedene Varianten solcher Hinweise, z. B. folgende:
„Wir erstellen unsere Seiten mit größtmöglicher Sorgfalt. Keinesfalls verstoßen wir absichtlich gegen geltendes Recht. Bitte kontaktieren Sie uns immer vorab, um unnötige Rechtsstreite und Kosten zu vermeiden, sofern Sie der Meinung sind, wir verstoßen gegen geltendes Gesetz. Die Kostennote einer anwaltlichen Abmahnung ohne vorhergehende Kontakaufnahme wird im Sinne der Schadensminderungspflicht § 254 BGB als unbegründet zurückgewiesen. Unberechtigte Abmahnungen und/oder Unterlassungserklärungen werden direkt mit einer negativen Feststellungsklage beantwortet.“
Einem aktuellen Urteil des OLG Hamm lag die nachfolgende auf der Website in der Rubrik „Haftungsausschluss“ eingeordnete Klausel zugrunde:
„Um die Kosten eines Rechtsstreits zu vermeiden, sollten Sie uns im Vorfeld bei unvollständigen Angaben, wettbewerbsrechtlichen Vorkommnissen oder ähnlichen Problemen auf dem Postweg kontaktieren. Eine kostenpflichtige anwaltliche Abmahnung ohne diesen vorab Kontakt, wird aus Sicht der Schadensminderungspflicht als unzulässig abgewiesen.“
Rechtlich falsche Einschätzung
Derartige „Disclaimer“ beruhen auf einer falschen rechtlichen Beurteilung. Woraus sollte sich eine Verpflichtung zum Vorabkontakt ergeben?
Zwischen dem Abmahnenden und dem Rechtsverletzer fehlt bis zur Abmahnung grundsätzlich jeglicher Kontakt. Daher kommt eine vertragliche Vereinbarung, die auch die Vermögensinteressen des anderen Teils schützte, vgl. § 241 II BGB, nicht in Betracht. Aus demselben Grund kann vor Zugang der Abmahnung auch kein vorvertragliches Schutz- und Obhutsverhältnis entstanden sein, vgl. §§ 311 II, 241 II BGB. Der z. T. bemühte § 254 BGB (Schadensminderungspflicht, besser: Schadensminderungsobliegenheit) setzt eine schuldhafte Mitverursachung des Schadens auf seiten des Verletzen voraus. Der Verletzte soll indes nach §§ 12 I S.1 UWG, 97a I S.1 UrhG (vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens) abmahnen. Er macht seine Rechte geltend, und in diesem Zusammenhag steht es ihm grundsätzlich frei, einen Anwalt mit einer förmlichen Abmahnung zu beauftragen. Die erforderlichen Kosten einer berechtigten Abmahnung trägt der Abgemahnte, vgl. z. B. §§ 12 I S.2 UWG, 97a I S.2 UrhG – die Hinweise sind also ohne Bedeutung. Aber das ist noch nicht alles:
Selbstbindung durch Verhaltensempfehlung
Für die Klägerin im Verfahren vor dem OLG Hamm war der im Internet als „Haftungsausschluss“ angebrachte „Disclaimer“ nicht nur unwirksam – er ging sogar „nach hinten los“. Trotz des (für eigene Belange) angebrachten Hinweises ließ das Unternehmen zur Personalvermittlung eine konkurrierende Vermittlung von Pflegekräften wegen einer rechtswidrigen Zeitungsannonce direkt anwaltlich abmahnen. Mit seiner Klage auf Erstattung der anwaltlichen Kosten für die Abmahnung scheiterte das Unternehmen nunmehr auch in der zweiten Instanz. Obwohl das Inserat in der Zeitung rechtswidrig war, erfolgte keine Kostenerstattung. Warum?
Derjenige, der einen Vorabkontakt von den Mitbewerbern unter Androhung einer Sanktion verlangt und diese dadurch zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, muss sich dann aber auch selbst so verhalten. Er bindet sich mit einer solchen Verhaltensempfehlung in Bezug auf sein eigenes Verhalten in ähnlicher Weise, als wenn er sich vertraglich zu einem solchen Verhalten verpflichtet hätte. Mit diesem zu erwartenden Verhalten hat sich das Unternehmen zur Personalvermittlung in Widerspruch gesetzt, wenn es sofort durch einen Anwalt abmahnen lässt. Das Verhalten ist also – mit Blick auf den Umgang hinsichtlich (1) eigener und (2) fremder Belange – widersprüchlich im Sinne des § 242 BGB.
Fazit: „Disclaimer“ entfernen!
Als Fazit lassen sich eine Reihe bekannter Zitate anführen, z. B.: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“ oder „Was du nicht willst, das man dir tu`, das füg auch keinem anderen zu.“ Die angesprochenen „Disclaimer“ und ähnliche Hinweise sind also unbedingt von der Website zu entfernen!