Eltern haften für ihre Kinder, auch im Internet?

Eltern können neben ihren Kindern haftbar gemacht werden, wenn diese über den bereitgestellten elterlichen Internetzugang Urheberrechtsverstöße begehen. Minderjährige bedürfen stets der Aufsicht, erforderlich sind eine einweisende Belehrung und eine laufende Überwachung der Internetnutzung des Kindes, so LG München im Urteil vom 19. Juni 2008.

Die 16-jährige Tochter hatte auf den Internetportalen www.myvideo.de und www.video.web.de Videos eingestellt, die aus 70 Fotografien hergestellt waren, an denen Urheberrechte der Klägerin bestehen. Diese nahm neben der 16-Jährigen auch deren Eltern auf Auskunft und Schadenersatz in Anspruch. Über den Unterlassungsanspruch brauchte das Landgericht nicht zu entscheiden, weil eine Unterlassungserklärung bereits außergerichtlich abgegeben worden war.

Elterliche Aufsichtspflichten

Nach Ansicht des LG München hätten die Eltern der 16-Jährigen ihre Aufsichtspflichten verletzt.

Tatsächlich ordnet das Gesetz an, dass Eltern zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, den der Minderjährige einem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Ersatzpflicht gilt jedoch nicht, wenn die Eltern nachweisen, dass sie ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben oder dass der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten wäre (sog. Exkulpation).

Wie weit muss ein Kind oder ein Jugendlicher aber beaufsichtigt werden? Der Aufsichtspflichtige erfüllt seine Pflichten nur dann, wenn er im Hinblick auf kindesbezogene Umstände (wie Alter, Entwicklungsstand, Erfahrungen, Eigenart und Charakter) und die zur Rechtsgutsverletzung führende konkrete Situation alles Erforderliche getan hat. Es muss also situationsbedingt Aufsicht geführt werden. Wie intensiv eine Aufsicht zu erfolgen hat, hat der Aufsichtsführende selbst zu erkennen. Er muss sich daher auch darum kümmern, womit sich die Kinder in der Freizeit beschäftigen und sie insoweit gelegentlich beobachten.

Einweisende Belehrung und laufende Überwachung

Nach Ansicht des LG München entspreche ein mit dem Internet verbundener Computer dem Umgang mit einem „gefährlichen Gegenstand“. Die Nutzung eines Computers könne, soweit keine „Flat-Rate“ vereinbart sei, hohe Verbindungsgebühren verursachen. Sie berge erhebliche zivilrechtliche Haftungsrisiken, hinzu kämen die Gefahren durch jugendgefährdende Inhalte. Daher sei eine einweisende Belehrung durch die Eltern erforderlich gewesen. Dass die Tochter in der Schule einen IT-Kurs besucht habe, ändere hieran nichts. Ob die allgemeine Diskussion, insbesondere bzgl. der urheberrechtlichen Zulässigkeit von Tauschbörsen im Internet, den Belehrungsbedarf entfallen lasse, sei zweifelhaft. Unabhängig davon, hätten die Eltern ihre Tochter laufend überwachen müssen, ob sich die Internetnutzung durch das Kind in dem durch die einweisende Belehrung gesteckten Rahmen bewegt.

Einweisende Belehrung ja, laufende Überwachung nein

Nicht ganz so hohe Anforderungen an die Aufsichtspflicht stellt etwa das OLG Frankfurt in einem Beschluss aus Dezember 2007. Überlasse der Inhaber eines Internetanschlusses diesen dritten Personen, könne ihn die Pflicht treffen, diese Nutzer zu instruieren und zu überwachen, sofern damit zu rechnen sei, dass der Nutzer eine Urheberrechtsverletzung begehen könnte. Indem der beklagte Vater seine minderjährige Tochter eindringlich darauf hingewiesen habe, keine Urheberrechtsverletzungen im Internet zu begehen, habe er seine Instruktionspflichten hinreichend erfüllt.

Eine (weitergehende) Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder ggf. zu verhindern, bestehe nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass der Nutzer den Anschluss zu Rechtsverletzungen missbrauche. Auch wenn Urheberrechtsverletzungen im Internet häufig vorkämen und darüber in den Medien umfangreich berichtet werde, habe ein Anschlussinhaber nicht bereits deshalb Anlass, ihm nahe stehende Personen wie enge Familienangehörige bei der Benutzung seines Anschlusses zu überwachen.

Fazit

Bei der ersten Nutzung des elterlichen Anschlusses haben Eltern ihre Kinder in jedem Fall umfassend und eindringlich auf die „Gefahren des Internet“ aufmerksam zu machen, z. B. im Hinblick auf Filesharing (Tauschbörsen) und andere mögliche Konflikte mit dem Urheberrecht. Auch ein (gemeinsamer) IT-Kurs mit den entsprechenden Lerninhalten (!) ist zu erwägen. Empfehlenswert ist eine schriftliche Bestätigung über die Durchführung des Kurses inkl. der Lehrinhalte.

In der Folgezeit sind die Kinder nach Ansicht des LG München zudem „laufend zu überwachen“. Wie dies zu erfolgen hat, lässt das Gericht allerdings offen. Zumutbar sind etwa stichprobenartige Kontrollen der Internetnutzung (z. B. pro Woche, unangekündigt), während die Installation einer Überwachungssoftware grundsätzlich nicht zu verlangen ist.