Abofallen im Internet – was tun gegen die Abzocke im Netz?

Ob kostenloser Eintrag im Online-Branchenbuch, Gratis-Rezept oder „Lizenz Freeware“, sei es ein unentgeltlicher Routenplan oder eine Test-Mitgliedschaft, die sich nach kurzer Zeit in eine kostenpflichtige wandelt: Kosten- bzw. Abofallen sind allgegenwärtig. Wer hineingetappt ist, ist nicht schutzlos. Und nach einem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe geht es nun sogar den Abofallen-Anwälten an den Kragen.

Kein Vertragsschluss

In vielen Fällen ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist. Voraussetzung dafür wären zwei Willenserklärungen. Als Gegenstand solcher rechtsverbindlichen Äußerungen müssten aber die wesentlichen Bestandteile des Vertrages feststehen, die sog. essentialia negotii. Dies sind (neben den beiden Vertragsparteien) Leistung und Gegenleistung, also etwa beim Kaufvertrag Kaufsache und -preis. Wer Rezept oder Software „gratis“ herunterlädt, muss gerade nicht davon ausgehen, dass er einen Kaufpreis zu zahlen habe. Seine Willenserklärung bezieht sich auf den kostenfreien Erhalt der Leistung (Empfängerhorizont), also allenfalls auf Abschluss eines Schenkungsvertrages. Allgemeine Geschäftsbedingungen oder andere „kleingedruckte“ Klauseln mit versteckten Preisen für die – augenscheinlich als „gratis“ angebotene – Hauptleistung sind unwirksam. Sie benachteiligen unangemessen, sie verstoßen aber auch gegen die Bestimmung, dass „Kleingedrucktes“ klar und verständlich formuliert sein muss, eben auch ohne einen Widerspruch „gratis“/„kostenpflichtig“. Durch einen Sternchenhinweis auf einen ergänzenden (kleingeschriebenen) Text wird dieser unrichtige Eindruck nicht behoben, so entschieden vom BGH bereits im Jahr 2004 für einen vermeintlich kostenlosen „Grundeintrag in das Online-Firmenverzeichnis“.

Anfechtung

Selbst wenn man von einer Willenserklärung ausginge, ließe sich eine solche in den meisten Fällen anfechten. In Betracht kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Arglistig getäuscht ist, wer sich bei Abgabe seiner Willenserklärung über einen Umstand geirrt hat, weil ein anderer eine Täuschungshandlung begangen hat. Opfer von Abo- oder Kostenfallen werden durch vermeintlich unentgeltliche „Offerten“ über Zahlungsverpflichtungen oder -bindungen (bei Abonnements) getäuscht. Krasse Beispiele von Täuschungen bietet die Praxis zuhauf: In einem Downloadportal findet sich neben dem Button zum Herunterladen der Software der Hinweis „Lizenz: Freeware – Freeware ist Software, die ... zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt wird“. Trotz dieses eindeutigen Hinweises erhält der Nutzer wenige Tage später eine Zahlungsaufforderung in Höhe von € 96,00.

Eine solche Täuschung erfolgt auch vorsätzlich. Abo- und Kostenfallen werden üblicherweise mit dem Willen betrieben, Opfer zur Abgabe von Willenserklärungen zu veranlassen, die sie bei Kenntnis der Sachlage – nämlich bei Kenntnis der Entgeltlichkeit der Leistung – nicht abgegeben hätten. Dieser (bedingte) Vorsatz erfüllt die Voraussetzungen der Arglist, so der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005. Eine Anfechtung ist also möglich, und dies sogar noch innerhalb eines Jahres nach Entdecken der Täuschung.

Widerrufs- bzw. Rückgaberechte

Es können aber auch weitere Rechte bestehen, sich von einem abgeschlossenen Vertrag wieder zu lösen. Händler im Internet sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Kunden über das Bestehen und die Einzelheiten der Ausübung eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts zu informieren. Die entsprechenden Belehrungen sind oft fehlerhaft, wenn sie denn überhaupt erfolgen.

Wenn sich ein anwaltlicher Vertreter zugunsten des Abofallen-Betreibers eingeschaltet hat, sind auch folgende Möglichkeiten zu berücksichtigen:

Rückerstattung von Anwaltskosten, straf- und standesrechtliche Verfahren

Ein interessantes Urteil fällte das Amtsgericht Karlsruhe vor wenigen Wochen: Eine bundesweit wegen ihrer Tätigkeit für Abo- bzw. Kostenfallen bekannte Rechtsanwältin wurde verurteilt, die bei der Abwehr der unberechtigten Forderung entstandenen Anwaltskosten im Wege des Schadenersatzes zu erstatten. Die Anwältin habe sich wegen Beihilfe zum versuchten Betrug strafbar gemacht und den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

In solchen Fällen ist zugleich der Weg frei für eine Strafanzeige gegen den Abofallen-Anwalt und ein standesrechtliches Verfahren bei dessen Rechtsanwaltskammer. Diesen Anwälten ist zweifelsohne klar, dass ihr dreistes und aggressives Vorgehen jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt: So teilte etwa der Osnabrücker Rechtsanwalt und Vertreter des o. a. „Lizenz: Freeware“-Downloadportals nach Drohung mit straf- und standesrechtlichen Schritten bereits am Tag darauf mit: „Meine Mandantin nimmt von der Geltendmachung der Forderung Abstand“.

Vorgehensweise

Wer in eine Abo- oder Kostenfalle getappt ist, sollte Folgendes beachten:

  1. Beweise sichern, Bestellvorgang dokumentieren, z. B. durch Screenshots mit den Hinweisen auf die Unentgeltlichkeit des Angebots;
  2. Ruhe bewahren, auch wenn aggressiv mit Fristen, höheren Kosten, Schufa-Eintrag oder der Einschaltung von Inkassobüro oder Gericht gedroht wird. Eingehende Mails, Schreiben, Zahlungsaufforderungen, Rechnungen etc. sorgfältig und in chronologischer Reihenfolge aufbewahren;
  3. Antwortschreiben formulieren, z. B. auf der Grundlage dieses Entwurfs. Bei Zweifeln bitte unbedingt rechtskundige Beratung in Anspruch nehmen etwa durch eine Verbraucherzentrale;
  4. Achtung: Bei Post vom Gericht (Mahnbescheid, Klage), besteht umgehend Handlungsbedarf. Hier gelten Fristen, die unbedingt zu beachten sind! Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist zu empfehlen.

Weitere Informationen finden sich in dem ARD-Ratgeber-Beitrag „Internet-Betrug. So können Sie sich wehren.“ von Laura Schoen. Eine Liste mit „schwarzen Schafen“ bietet die Website der Verbraucherzentrale Bundesverband (Dokument-Download rechte Spalte oben).

§ 433 BGB (Kaufvertrag); § 516 BGB (Schenkungsvertrag); § 307 BGB (Inhaltskontrolle bei AGBs); § 123 BGB (Anfechtung wegen arglistiger Täuschung)§ 124 BGB (Anfechtungsfrist);BGH, Urt. v. 8. Juli 2004 – I ZR 142/02 – „Grundeintrag Online“ (zur Irreführung nach UWG), BGH, Urt. v. 22. Februar 2005 – X ZR 123/03 („Online-Firmenverzeichnis im Internet“, zur Anfechtung nach § 123 BGB) jeweils unter www.bundesgerichtshof.de, vgl. auch OLG Frankfurt CR 2009, 253; LG Mannheim MMR 2009, 568; AG Hamm, NJW-RR 2008, 1078; AG München, CR 2007, 816. AG Karlsruhe, Urt. v. 12. August 2009, 9 C 93/09, BeckRS 2009, 24147.