DSDS-Sequenzen im „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ rechtswidrig

Im Januar 2008 präsentierte RTL den Zusammenbruch von Raymund Ringele (17) während des Castings zu „Deutschland sucht den Superstar“. Ausschnitte daraus darf die Konkurrenz zur Veranschaulichung der Umgangsweise von Dieter Bohlen mit den DSDS-Kandidaten zwar grundsätzlich zeigen – allerdings in engen Grenzen, so LG Köln in einem aktuellen Urteil.

Selbst kleinste Teile von Filmen sind geschützt. Dies betont der BGH in seiner TV-Total-Entscheidung Ende 2007, vgl. dazu den Artikel TV-Total: Schadenersatz wegen fremder Filmausschnitte. Die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes schützen die organisatorische und wirtschaftliche Leistung des Filmherstellers. Wegen erheblichen technischen und wirtschaftlichen Aufwands steht auch dem Sendeunternehmer ein sog. Leistungsschutzrecht an der Ausstrahlung zu. Aus eben diesem Recht wandte sich RTL gegen Sat.1 wegen Übernahme der ca. zweiminütigen DSDS-Sequenzen.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Eingriff in die fremden Rechte jedoch zulässig sein: Das Urheberrechtsgesetz enthält Schrankenregelungen, die allerdings eng auszulegen sind. Als solche Schranken kommen hier die Berichterstattung über Tagesereignisse und das Zitatrecht in Betracht:

Berichterstattung über Tagesereignisse

§ 50 UrhG erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Berichterstattung über Werke, die im Verlaufe des Tagesereignisses, über das berichtet wird, wahrnehmbar werden. Die Vorschrift trägt dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung. Sie findet z. B. Anwendung bei der Wiedergabe von Kunstwerken in einem Pressebericht über eine Ausstellungseröffnung. Gegenstand der Berichterstattung muss das aktuelle Ereignis sein, nicht das Werk selbst. Letzteres darf eben, so der Gesetzeswortlaut, nur „im Verlaufe“ des Tagesereignisses wahrnehmbar werden. Diese Voraussetzungen sind auch z. B. gegeben, wenn über die Schenkung einer Kunstsammlung oder die Neuerscheinung eines Buches (Werk) berichtet wird und das Werk im Rahmen dieses nicht identischen Vorgangs (also der Schenkung) gezeigt wird.

Die Frage, ob ein aktuelles Ereignis vorliegt, welches nicht das Werk selbst zum Gegenstand hat und in dessen Verlauf das Werk wahrnehmbar geworden ist, lässt das Landgericht Köln offen. In jedem Fall überschreite der übernommene und ausgestrahlte Umfang der Berichterstattung den gebotenen Umfang.

Was ist denn auf der Grundlage von § 50 UrhG prinzipiell zulässig?

Dazu führt das Gericht aus: Als Richtwert für die Zulässigkeitsgrenze darf in einer Berichterstattung gerade auf so viel fremdes Sendematerial zurückgegriffen werden, dass ein aus Sicht des Berichterstatters für sich genommen nicht ausstrahlungswürdiger oder -fähiger Beitrag zu einem Tagesereignis in groben Zügen mit Veranschauungsmaterial unterfüttert werden kann. Die Inanspruchnahme fremden Sendematerials muss aber auch auf eben diese Veranschaulichung beschränkt bleiben.

Es zeigt sich, dass das Gericht die bereits erwähnte enge Auslegung der Schrankenregelung ernst nimmt. Ein Beitrag darf daher nur in dem Umfang fremde Filmausschnitte enthalten, wie geboten, um ein der Berichterstattung zugrunde liegendes Ereignis plausibel darzustellen und so dem interessierten Publikum eine Wertung zu ermöglichen. Nicht zulässig ist es, wenn ein Gesamtbeitrag zum erheblichen oder sogar weit überwiegenden Teil aus Fremdmaterial besteht bzw. wenn die Berichterstattung maßgeblich von diesem Material lebt. Entnahmen, die nur über die Kürze des Beitrags oder einen fehlenden Unterhaltungswert hinweghelfen, sind nicht gerechtfertigt. So war es nach Ansicht der Kölner Richter auch in dem Bericht des Sat.1-Frühstücksfernsehens. Dies gelte insbesondere angesichts der unveränderten und ungekürzten mehrfachen Wiederholungen der Szene, in der Raymund Ringele zusammenbricht und sich am Boden windet.

Zitatrecht

Das in § 51 Nr. 2 UrhG geregelte Zitatrecht erlaubt im Interesse der geistigen Kommunikation und Auseinandersetzung, fremde Werke in einem durch den Zweck gebotenen Umfang anzuführen. Die Bestimmung findet auch auf Filmzitate entsprechende Anwendung. Die Verwendung eines Zitats ist aber stets nur zulässig, soweit sie noch vom Zitatzweck gedeckt ist.

Was bedeutet Zitatzweck?

Es muss eine innere Verbindung zwischen dem zitierten und dem zitierenden Werk in einer Art und Weise hergestellt werden, dass eine geistige Auseinandersetzung stattfindet und die fremde Meinung durch das Zitat als Beleg wiedergegeben wird (Belegfunktion). Der Zitierende darf die fremde Vorgabe also als Hilfsmittel (Erörterungsgrundlage) der eigenen Darstellung benutzen, sei es als Ausgangspunkt für selbständige zustimmende bzw. bekräftigende oder auch kritische Auseinandersetzungen. Außerhalb des Zitatzwecks handelt indes, wer sich Ausführungen ersparen und solche durch das Zitat ersetzen oder die eigene Leistung mit dem Zitat aufwerten oder vervollständigen möchte. Es darf also nicht so weit kommen, dass die Zitate den eigenen Beitrag prägen oder gar ersetzen.

So war es aber im Fall des Landgerichts Köln. Länge und die Wiederholung gingen vom Umfang her über das für den Zitatzweck erforderliche Maß hinaus. Zwar durfte die Umgangsweise von Dieter Bohlen mit den Kandidaten der Sendung DSDS kritisiert und diese Kritik auch durch ein Bildzitat unterlegt werden. Es bedurfte aber weder der fast vollständigen Wiedergabe des RTL-Werkes noch der Wiederholungen des Zusammenbruchs des Kandidaten.

Über die Höhe des Schadenersatzes, den Sat.1 an RTL zu zahlen hat, wird das Landgericht Köln noch in einem Schlussurteil befinden.

LG Köln, (Grund-) Urt. v. 13. Mai 2009 – 28 O 811/09, unter www.nrwe.de; BGH, Urt. v. 20. Dezember 2007 – I ZR 42/05 – TV-Total, unter www.bundesgerichtshof.de§ 2 Abs.1 Nr.6, Abs.2 UrhG (Filmwerk, Urheberrecht); § 94 UrhG (Schutz des Filmherstellers)§ 95 UrhG (Leistungsschutzrecht); § 87 UrhG (Schutz des Sendeunternehmers)§ 50 UrhG (Berichterstattung über Tagesereignisse)§ 51 Abs.1 Nr.2 UrhG (Zitatrecht).