Die Abmahnung – mit Anwaltskosten von maximal 100,00 Euro?

100.000 Abmahnungen jährlich allein durch die Musikindustrie wegen „unautorisierter Musikangebote im Internet“ wie Filesharing in den Tauschbörsen. Hinzu kommen zahllose Abmahnungen wegen Nutzungen von Stadtplänen und Fotos. Das Urheberrecht deckelt die Abmahnkosten des Anwalts nun auf 100,00 Euro – bei begrenztem Anwendungsbereich.

Die Abmahnung dient dazu, Streitigkeiten über Unterlassungspflichten nach erfolgten Verletzungshandlungen ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu regeln. Sie ist auch im Urheberrecht ein anerkanntes und legitimes Mittel zur außergerichtlichen Beendigung von Rechtsverletzung

Wie erfolgt die Abmahnung?

Durch die Abmahnung teilt der in seinen Rechten Verletzte (zumeist per Anwalt) dem Verletzer mit, dass dieser durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung einen Rechtsverstoß begangen habe. Die Mitteilung wird verbunden mit der Aufforderung, das rechtswidrige Verhalten zukünftig zu unterlassen und binnen einer bestimmten (kurzen) Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Wird eine solche abgegeben, verhindert die Abschreckungswirkung der Vertragsstrafe (daher der Begriff „strafbewehrt“) eine Wiederholung des Rechtsverstoßes. Eine angemessene Vertragsstrafe steht im Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung der Unterlassung und den möglichen Schäden und wird in der Regel nicht unter € 5.001,00 angesetzt. Diese Höhe begründet zugleich die Zuständigkeit des Landgerichts im Falle einer gerichtlichen Durchsetzung der Vertragsstrafe.

Was ist zu tun?

Bei Eingang einer Abmahnung sollte die bezeichnete Handlung, die angeblich einen Rechtsverstoß darstelle, sofort überprüft werden. Stimmt der mitgeteilte Sachverhalt? Sind die Tatsachen des Vorwurfes belegt bzw. belegbar? Sodann sollte man schnellstens einen im entsprechenden Fachgebiet (z. B. Urheberrecht, Marken- und Kennzeichenrecht, Wettbewerbsrecht) spezialisierten Rechtsanwalt aufsuchen. Viele Abmahnungen erfolgen unberechtigt, so dass auch kein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten besteht.

Wer trägt die Kosten der Abmahnung? In welcher Höhe?

Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Verletzte Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen – also auch Erstattung der Anwaltskosten. Was für das Wettbewerbsrecht bereits im Gesetz steht, ist nun auch im neuen § 97a Abs.1 des Urheberrechtsgesetzes ausdrücklich normiert.

Völlig neu ist die Begrenzung der erstattungsfähigen Abmahnkosten nach § 97a Abs.2 UrhG: Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 Euro. Durch diese Regelung sollen Verbraucher, die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs tätig werden, vor überzogenen – oftmals gut vierstelligen – anwaltlichen Kostenforderungen geschützt werden.

Die Deckelung gilt unter den genannten Voraussetzungen allerdings stark eingeschränkt, nämlich nur

  1. für die erstmalige Abmahnung, also nicht zugunsten eines „Wiederholungsverletzers“;
  2. bei einem einfach gelagerten Fall. Einfach gelagert ist ein Fall dann, wenn er nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist, also zur Routine gehört. Nach Auffassung des LG Köln werfe das Urheberrecht allerdings Rechtsfragen mit einem Schwierigkeitsgrad auf, die selbst ein Volljurist einer Tonträgerfirma nicht sicher beherrschen wird und auch nicht beherrschen muss. Das Urheberrecht sei eine „schwere Materie“. Dies belege auch der Umstand, dass solche Streitigkeiten bestimmten spezialisierten Gerichten zur Entscheidung zugewiesen sind. Ob und wann mit dieser Maßgabe Filesharing in den Internet-Tauschbörsen jemals als „einfach gelagert“ einzustufen sein wird, ist fraglich;
  3. bei einer nur unerheblichen Rechtsverletzung. Eine solche erfordert ein geringes Ausmaß der Verletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht, wobei es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Das LG Köln geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass beim Filesharing pro Musiktitel (!) ein Gegenstandswert von 10.000,00 Euro angesetzt werden kann. Der Gegenstandswert ergibt sich aus der Beeinträchtigung, die durch den Unterlassungsanspruch beseitigt werden soll. Das Kölner Gericht dürfte daher in qualitativer Hinsicht und jedenfalls bei mehreren Musiktiteln auch in quantitativer Hinsicht eine nur unerhebliche Rechtsverletzung verneinen.
  4. außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Nach Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses sollen erfasst sein z. B. ein Stadtplanausschnitt der eigenen Wohnungsumgebung oder ein Liedtext jeweils auf einer privaten Website sowie das Foto in einem privaten Angebot einer Internetversteigerung. Alle aufgeführten Beispiele entstammen allerdings dem Urheberrecht und müssten daher auch als „einfach gelagert“ gelten (vgl. Nr.2.).

Der Anwendungsbereich der 100,00 Euro-Grenze ist also gering. Unabhängig davon können Schadenersatzforderungen nach wie vor in voller Höhe geltend gemacht werden. Urheberrechtsverletzungen sind also (auch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs) unbedingt zu vermeiden!

§ 12 Abs.1 S.2 UWG (Ersatz der erforderlichen Aufwendungen); §§ 104, 105 UrhG elektronische Vorab-Fassung von Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 9. April 2008 BT-Drucks. 16/8783; LG Köln, Urt. v. 18. Juli 2007 – 28 O 480/06 unter www.nrwe.de. Vgl. auch Von Piraten, Verbrechern und einem Kampf gegen Windmühlen von Philip Banse (Deutschlandfunk).