Anwaltsdrohungen in Abmahnungen

Zur Durchsetzung von (angeblichen) Forderungen arbeiten Inkassoanwälte und Abmahner in Massenverfahren wie z.B. Tauschbörsenfällen oft mit zweifelhaften Mitteln. Da werden Rechtsauffassungen als allgemeinverbindlich präsentiert, bei Nichtzahlung Strafverfahren angedroht. Was aber ist durch die „anwaltliche Kunst“ erlaubt?

Druck, Lug und Betrug: Strafrechtliche Grenzen des Anwalts

Im September 2013 verurteilte der BGH einen Juristen, der als Inkassoanwalt für einen Gewinnspieleintragungsdienst arbeitete. Die Kunden wollten sich als Teilnehmer an Gewinnspielen eintragen lassen und erteilten Ermächtigungen zum Lastschrifteinzug. Der Dienst zog die Teilnehmerbeiträge zwar ein, Gewinnspieleintragungen nahm er jedoch nicht vor. In der Folge kam es zu immer mehr Rücklastschriften der Kunden. Diese sollten durch Anwaltsschreiben so eingeschüchtert werden, dass sie die in Wahrheit unberechtigten Forderungen bezahlten. Hier der Abschluss des Schreibens:

„Sollte die Gesamtforderung von Ihnen nicht fristgerecht gezahlt werden, behält sich meine Mandantin darüber hinaus vor, den Sachverhalt der zuständigen Staatsanwalt zu Überprüfung wegen des Verdachts eines Betruges vorzulegen.“

Diese Drohung mit einem Strafverfahren erfüllt nach Ansicht des BGH die Voraussetzungen einer versuchten Nötigung, auch wenn der Anwalt von den Betrügereien keine Kenntnis gehabt habe. Dadurch, dass das Mahnschreiben von einem Rechtsanwalt gegenüber einem Verbraucher ergangen sei, komme der Drohung ein besonderes Gewicht zu.

Auch wenn in diesem höchstrichterlich entschiedenen Fall ein Betrug nicht nachzuweisen war, so spielt er dennoch in unseriösen anwaltlichen Aufforderungen eine Rolle. LG Osnabrück etwa verurteilte einen Rechtsanwalt, der in 37 Fällen (wissentlich) grundlos Unterlassungsansprüche wegen unverlangt zugesandter Mailwerbung geltend gemacht hatte – und in diesem Zusammenhang natürlich auch seine Anwaltsgebühren. Vgl. auch den Artikel Abofallen im Internet – was tun gegen die Abzocke im Netz?

Arglistiges Übertreiben, insbes.: Tauschbörsen, P2P-Abmahnungen

Wie aber ist es, wenn die Aufforderung nicht komplett substanzlos ergeht, sondern „nur“ unter einseitiger Darstellung einer vermeinlich allgemeingültigen Rechtslage?

In einem durch das AG Düsseldorf im Oktober 2013 entschiedenen Fall war die Beklagte abgemahnt worden mit der Begründung, von ihrem Anschluss seien am 4. August 2008 um 22:46 Uhr 537 Musikdateien zum Herunterladen bereit gestellt worden. Und weiter im Abmahnschreiben:

„... Inwieweit Sie die Rechtsverletzungen selbst begangen haben, wurde bislang zwar nicht abschließend geklärt, als Inhaber des verfahrensgegenständlichen Internetanschlusses sind Sie jedoch jedenfalls zur Erstattung der Rechtsverfolgungskosten verpflichtet. Bereits dieser Kostenerstattungsanspruch führt dabei – angesichts der regelmäßig in Fällen der vorliegenden Art gerichtlich angenommenen Gegenstandswerte von € 10.000,00 pro verfügbar gemachtem Audiotitel – zu erheblichen Ersatzbeträgen. Dies verdeutlicht die beispielhafte Berechnung eines Kostenerstattungsanspruchs bei nur zehn zur Verfügung gestellten Musikdateien der o.g. vier Mandanten, aus der sich eine Kostenerstattungsforderung von € 2.998,80 ergibt. ...“

Nach dieser immensen Drohkulisse (537 x € 10.000,00 = € 5.37 Mio.!) wurde ein Vergleichsangebot in Höhe von € 4.000,00 unterbreitet, welches die Beklagte annahm. Die Klage auf Zahlung dieses Betrages wies das Amtsgericht jedoch ab. Der Vergleich sei durch betrügerisches Verhalten erwirkt.

Wer gezielt über die Rechtslage bzgl. der Haftung des Anschlussinhabers täuscht und dadurch vorgibt, sich in einer derart ausweglosen Situation zu befinden, dass die Unterzeichnung eines außergerichtlichen Vergleichs (über € 4.000,00!) die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit ist, handelt betrügerisch. Bei einer außergerichtlichen Darstellung gegenüber einem Verbraucher mit dem Ziel, diesen zu einer Zahlungsverpflichtung durch Vergleich zu bewegen, besteht die Verpflichtung, deutlich zu machen, dass bestimmte vertretene Rechtsauffassungen nicht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsauffassung stehen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Eigenschaft des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege und dem damit verbundenen Vertrauen, auch wenn er auf der Gegenseite tätig ist.

Das Abmahnschreiben spiegelt die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht unzutreffend als ausweglos vor, u.a.

  • dass der Anschlussinhaber unabhängig von Täterschaft stets hafte. Tatsächlich besteht eine Verantwortlichkeit nur bei einer Verletzung von Prüfpflichten, die oftmals nicht gegeben ist. Näher dazu Artikel Illegales Filesharing durch Kinder – keine unbegrenzte Aufsichtspflicht der Eltern und jüngst BGH – BearShare;
  • dass der Gegenstandswert linear steige, also je (537) Titel um € 10.000,00. Tatsächlich hatte z.B. OLG Hamburg jedoch bereits bei fünf Musiktiteln „nur“ einen Gegenstandswert von € 10.000,00 bei zehn einen von € 15.000,00 zugrunde gelegt.

Ruhe bewahren, prüfen, durchhalten

Also: Keine anwaltliche Aufforderung ist nur deshalb zu beachten, weil sie von einem „Organ der Rechtspflege“ stammt – finden sich obendrein Druck und Drohung, gilt erst recht: Vorsicht! In den meisten Fällen ist die Sach- und Rechtslage nicht so aussichtslos, wie der erste Blick verheißen mag. Wer einen (Ratenzahlungs-) Vergleich z.B. als Abgemahnter im Bereich P2P, Tauschbörsen, Filesharing, vorschnell unterzeichnet hat, sollte diesen überprüfen lassen.  

Übrigens lässt die Penetranz einiger Abmahnanwälte nicht einmal nach, wenn die Abmahnung anwaltlich so erwidert wird, dass eigentlich klar sein müsste: DA IST NICHTS ZU HOLEN. Zur Frage, wie zu bestreiten ist, vgl. den Artikel Tauschbörsen: Abmahnung und pauschales Bestreiten. So kommen trotz umfassender und konkreter Erwiderung oft (Standard-) Schriftsätze zurück, ohne die konkreten Gründe des Bestreitens überhaupt aufzugreifen. Und wenn dann nach einigem Hin und Her – oder besser: Nebeneinanderher – einfach alles gesagt ist?

Na lesen Sie selbst, wie sich ein Abmahnanwalt aus Berlin immer mal wieder in Erinnerung ruft. Das nachfolgende wunderbare Beispiel sendet der Kollege gerne auch mehrmals in derselben Angelegenheit (im Abstand von ca. 10 Wochen) mit stets derselben eingescannten Unterschrift und ebenso individuell gehaltener Anrede:

„Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

ich nehme Bezug auf den bisher geführten Schriftwechsel in o.b. Angelegenheit. Auf mein letztes Schreiben habe ich bislang keine Antwort erhalten. Bitte teilen Sie mir daher mit, ob Sie in dieser Angelegenheit weiterhin mandatiert sind. ...“

Sie haben weitere Fragen? Gerne unter nennen(at)nennen.de oder per Anruf.