Schleich dich Werbung!

Schleichwerbung! Dieser Gedanke schießt dem einen oder anderen TV-Zuschauer durch den Kopf, wenn Markenlogos oder bestimmte Produkte an „prominenter“ Stelle in Spielfilmen oder Unterhaltungsshows auftauchen. Doch was ist Schleichwerbung überhaupt? Und wann läuft der Zuschauer Gefahr, in seiner Wahrnehmung getäuscht zu werden?

Das Problem? Die Gunst des Zuschauers!

Schon seit Einführung der klassischen Blockwerbung zeichnet sich der durchschnittliche Zuschauer durch ein ausgeprägtes Werbevermeidungsverhalten aus. Für zwei Drittel deutscher TV-Konsumenten ist die Werbepause eine Aufforderung, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Die Konsequenz ist, dass die werbende Botschaft nicht ankommt. Das Interesse der werbetreibenden Industrie, viel Geld in schlecht wirkende Werbung zu investieren, ist daher gering. Problematisch ist allerdings, dass die privaten TV-Sender sich primär aus Werbeeinnahmen finanzieren. Redaktionelles Programm ist vielfach ein nötiges „Übel“, um Werbezeit verkaufen zu können. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass Werbung in das Programm integriert wurde, welches der Zuschauer mehr oder weniger aufmerksam verfolgt.

Ein medienethisches Postulat

Diesem aus medienökonomischer Sicht folgerichtigen Vorgehen der Grenzaufhebung von Werbung und Programm steht ein sogenannter „Eckpfeiler“ des Medienrechts gegenüber: das Trennungsgebot. Dieses fordert in § 7 Abs. 3 RStV (Rundfunkstaatsvertrag) die strikte Trennung von Werbung und Programm.

Sinn und Zweck ist es in erster Linie, eine umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung zu gewährleisten.

Die Trennung bezahlter Wirtschaftswerbung zu meinungsbildenden und unterhaltenden Inhalten ist unter dem Gesichtspunkt der publizistischen Aufgabe der Medien von besonderem Gewicht.

Das Trennungsgebot zählt damit zu den funktionssichernden Grundvoraussetzungen der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 GG und ist somit verfassungsrechtlich verankert.

Das Trennungsgebot wird durch das Schleichwerbeverbot aus Art 7 Abs. 3 RStV flankiert. Schleichwerbung ist in Art. 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV legaldefiniert. Die tatbestandlichen Voraussetzungen ergeben sich allein aus dieser Definition. Danach ist Schleichwerbung dadurch gekennzeichnet, dass die Produktpräsentation „absichtlich zu Werbezwecken des Veranstalters“ erfolgt und eine „Irreführung hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung möglich ist“. An diesen Merkmalen müssen sich also Produktplatzierungen messen lassen.

Das Merkmal der Werbeabsicht

Da der Medienaufsicht wohl in den seltensten Fällen ins Gesicht gesagt wird, dass eine Produktpräsentation absichtlich zu Werbezwecken erfolgt ist, kann die Prüfung des Schleichwerbevorwurfes nur aufgrund von Indizien erfolgen. Exemplarisch nennt § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV nur die Entgeltlichkeit als Indiz. Die Werbeabsicht des TV-Senders kann jedoch auch außerhalb der gesetzlichen Vermutung aufgrund anderer Indizien festgestellt werden. Dies kann insbesondere eine unangemessene Herausstellung einer Marke oder eine vertragliche Verpflichtungen für die Einblendung eines Produktes sein. Es ist also neben abstrakten Unterscheidungsmerkmalen wie Geldzahlungen und Werbeverträgen insbesondere auch eine Prüfung auf Inhaltsebene vorzunehmen.

Einschränkend muss es dem Rundfunkveranstalter allerdings erlaubt sein, im Rahmen der Abbildung einer realen Umwelt Autos, Bekleidungsmarken, Zeitungen, Getränke usw. darzustellen. Es hat also eine Abwägung mit dem Programmauftrag des Senders zu erfolgen. Der verfassungsrechtliche Charakter tritt an dieser Stelle deutlich hervor.

Die Irreführungsmöglichkeit

Das Merkmal der Irreführungsmöglichkeit stellt auf die Erwartungshaltung des Zuschauers ab. Dieser ist vom Trennungs- und Kennzeichnungsgebot geprägt und geht daher regelmäßig davon aus, dass Werbung nur außerhalb des Programms erfolgt, als solche gekennzeichnet ist und im Übrigen als Teil einer Realitätsabbildung dramaturgisch bzw. redaktionell gerechtfertigt ist. Möglich soll eine Irreführung sein, wenn die fragliche Darstellung geeignet ist, 10 – 15 % der angesprochenen Verkehrskreise über den werblichen Charakter zu täuschen. In Literatur und Rechtsprechung wird teilweise eine Irreführung schon dann angenommen, wenn eine Verwischung der Grenze von Werbung und Programm gegeben ist. Dieser Auslegung folgend wäre damit eine Irreführung immer dann zu bejahen, wenn eine Abbildung zu Werbezwecken im Programm integriert wurde. Das Merkmal der Irreführung würde seiner Bedeutung beraubt. Hier sei kritisch angemerkt, dass diese Ansicht nicht zeitgemäß ist und insbesondere die stetig wachsende Medienkompetenz der Bevölkerung verkennt.

Zu dem Thema „Trennung von Werbung und Programm im Fernsehen“ veröffentlichte die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein eine Studie, welche belegt, dass plakative Darstellungen in ihrer werbenden Absicht immerhin von 86% der Rezipienten erkannt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 14% diese „selbsterklärenden Placements“ nicht erkennen und somit irregeführt werden. Das Merkmal der Irreführungsabsicht ist also streng empirisch gesehen noch erfüllt. Allerdings ist denkbar, dass in naher Zukunft die Fähigkeit zum Erkennen werbender Placements weiter steigt und eine Irreführung faktisch nicht mehr stattfindet. Diese Erkenntnis folgt vor allem aus einer historischen Entwicklung: Die erste Ausstrahlung eines Werbespots erfolgte im Jahre 1956. Die damit verbundene Abkehr von der reinen Gebührenfinanzierung galt als Sündenfall, welcher nur unter strenger Reglementierung toleriert werden sollte. Dagegen ist Werbung heute Alltag. Die Medienkompetenz der Bevölkerung steigt; jüngere Zuschauer wachsen in einer anderen medialen Umgebung auf als ihre Eltern und lernen dadurch verschiedene mediale Erscheinungsformen anders einzuordnen bzw. zu erkennen.

In Anbetracht dieses Beispiels ist dem Merkmal der Irreführung eine eigene Bedeutung zu lassen, welche unter Berücksichtigung und ständiger Revision der neuesten Studien und auch werbepsychologischer Erkenntnisse zu erfolgen hat. Wie beispielsweise dem sog. „mere exposure effect“: Dieser beschreibt, dass bei mehrfacher bloßer Darstellung werblicher Elemente, die Einstellung des Rezipienten zu diesen Dingen positiv beeinflusst wird (Einstellungsverbesserung). Die Einwirkung auf die Vorstellung des Zuschauers ist an dieser Stelle genau zu untersuchen, um mögliche negative Auswirkungen auf die Freiheit der Meinungsbildung auszuschließen bzw. zu begründen.

Die aufgezeigten Beispiele sind keineswegs abschließend. Zur Bewertung der Irreführungsmöglichkeit sind alle in Frage kommenden Indizien in Betracht zu ziehen. Wie bei der Prüfung des Werbeabsichtsmerkmals sind die gefundenen Indizien widerlegbar.

Auch wird in Übertragung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze der Möglichkeit der Irreführung von 10 – 15 % erstmals ein empirischer Wert gegenübergestellt. Die Anlehnung der Irreführungsmöglichkeit an Erkenntnisse aus anderen Bereichen der Wissenschaft gewährleistet eine wirklichkeitsnahe und zukunftstaugliche Grenzziehung zwischen Werbung und Programm aus Sicht des Zuschauers. Liegt danach möglicherweise in naher Zukunft keine Irreführung vor, kann es sich nur um Werbung und einen Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz handeln.

Die neueste Rechtsprechung

Zwei Fälle zum Thema Schleichwerbung wurden im Dezember 2008 von dem VG Berlin und dem OVG Rheinland Pfalz entschieden. Gegenstand der Verfahren waren die Sendungen „TV total Wok WM“ von ProSieben und „Jetzt geht’s um die Eier! Die große Promi Oster Show“ von Sat 1. Beide Sender hatten durch vertragliche und gesellschaftsrechtliche Konstruktionen (vgl. beispielhaft die sog. „Tessin Connection“, Artikel in der Süddeutschen online) Unklarheiten bezüglich derer Werbeabsicht hervorgerufen. So argumentierten die Sender u. a. nicht für die werbenden Darstellungen verantwortlich zu sein und lediglich die Lebenswirklichkeit zu übertragen. Die Gerichte folgten diesen Argumenten nicht und analysierten die bewirkten Verträge und gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge aller Beteiligten. In einer Gesamtschau dieser so gesammelten Indizien entschieden die Richter, dass die Sender sehr wohl Einfluss auf die Sendungen hatten. Der damit einhergehenden Verantwortung können sich Rundfunkanstalten nicht durch vertragliche Konstrukte etc. entziehen. Die Werbeabsicht ist daher in Person der Rundfunkanstalten begründet.

Bezüglich der Irreführungsmöglichkeit argumentierten beide Gerichte ebenfalls ähnlich. Trotz der offen erkennbaren Darstellung der werbenden Elemente sahen die Gerichte eine Irreführungsmöglichkeit darin, dass der Zuschauer im Kern auf den Inhalt der Sendung konzentriert ist und die Platzierungen nur am Rande wahrnimmt. Darin sei ein schleichendes Element zu sehen und somit eine Täuschung, so die Richter. Zwar wird dem Merkmal der Irreführung hier eine eigene Bedeutung gelassen und das gefundene Ergebnis stimmt mit oben genannter Studie und werbepsychologischen Erkenntnissen überein. Es ist aber trotzdem darauf hinzuweisen, dass die Irreführungsmöglichkeit nie abstrakt nach dieser vom Gericht angeführten Argumentation erfolgen sollte, da diese eine fortschreitende Medienkompetenz der Bevölkerung außen vor lässt und nur scheinbar auf den Zuschauer abstellt.

Fazit

Das Rundfunkwerberecht muss flexibel auf eine sich verändernde Medienwahrnehmung und immer neue Herausforderungen seitens der Industrie reagieren können, ohne seine wertkonservativen Grundfeste aufzuweichen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Sanktionsmöglichkeiten geeignet sind, um die vorgegebenen Ziele zu schützen – gilt doch Schleichwerbung in der Medienbranche eher als Bagatelldelikt (vgl. den Artikel in der Faz „Die scheinheilige Begnadigung der Andrea Kiewel“). Die Diskussion um die Zulässigkeit von Produkt Platzierungen wird darüber hinaus zeigen, wie man den Umgang mit programmintegrierter Werbung in der Zukunft einschätzt (vgl. Beitrag: Product Placement im Rahmen der EU-Richtlinie).