Vorabkontrolle von Postings in Blogs und Foren?

Am 4. Dezember 2007 erließ das Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den Betreiber eines Blogs. Er sei verpflichtet gewesen, die Veröffentlichung eines fremden rechtswidrigen Kommentars im Voraus zu verhindern. Wie umfangreich sind die Kontrollpflichten?

Gemäß langjähriger Rechtsprechung des BGH haftet als Störer auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt. Der Störerbegriff ist im Interesse eines umfassenden Schutzes vor rechtswidrigen Handlungen weit gefasst. Andererseits darf die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben. Daher setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.

Die entscheidende Frage lautet also: Was ist für den Betreiber im konkreten Einzelfall zumutbar, um Rechtsverletzungen in seinem Blog oder Forum zu vermeiden?

Sicher zumutbar ist es, einen fremden rechtswidrigen Beitrag sofort ab Kenntniserlangung zu entfernen, z. B. nach entsprechendem Hinweis. Diese Verantwortlichkeit entfällt nach einem aktuellen Urteil des BGH nicht dadurch, dass dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist.

Es ist – andererseits – nicht zumutbar, Tausende in einem Internetforum eingehende Beiträge stets auf möglicherweise rechtswidrige Inhalte hin zu überwachen. Eine solche allgemeine Pflicht überforderte den Forenbetreiber in technischer, persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Das Betreiben von Internetforen würde aufgrund überspannter Kontrollpflicht letztlich wegen der Haftungsrisiken unmöglich – in diesem Sinne u. a. OLG Düsseldorf.

Abwägung von Rechten und Rechtsverletzungen

Eine Prüfungspflicht liegt irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Hierbei ist abzuwägen zwischen (1) der Meinungs- und Pressefreiheit und (2) der Gefahr von Rechtsverletzungen, insbesondere von Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Die Meinungs- und Pressefreiheit erfasst auch – und sogar gerade – die Diskussion brisanter Themen und deren Veröffentlichung durch Bereitstellung und Betreiben einer Internetplattform. Der geistige Meinungskampf ist zulässig und wünschenswert vor allem bzgl. solcher Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, z. B. ärgern. Ein Journalist darf sich dabei eines gewissen Maßes an Übertreibung oder sogar der Provokation bedienen. Brisante Themen und auch provokante Überschriften oder Fragestellungen zur Förderung einer lebhaften Diskussion sind also auch im Rahmen eines Blogs erlaubt. Dass Kommentare, wie im Internet üblich, anonym abgegeben werden, ändert die prinzipielle Zulässigkeit nicht, vgl. hierzu Artikel Spickmich, MeinProf & Co. – cool, witzig, rechtswidrig? unter Bezug auf ein aktuelles Urteil des OLG Köln.

Gesteigerte Prüfungspflichten bei erfolgten oder drohenden Rechtsverletzungen

Aufgrund einer brisanten Diskussion ergeben sich für den Betreiber gesteigerte Überprüfungspflichten. Dasselbe gilt, wenn bereits rechtswidrige Kommentare gepostet worden sind. Angesichts höherer Gefährdung darf freilich nicht erst abgewartet werden, bis ein (weiterer) Eingriff in ein Rechtsgut erfolgt. Vielmehr sind die Beiträge des konkreten Forums laufend und in kurzen Zeitabständen – also ggf. mehrmals am Tag und auch an Sonntagen – auf (erneute) Rechtsverletzungen zu prüfen.

Eine Pflicht zu genereller und lückenloser „Eingangskontrolle“ wird man indes – wenn überhaupt – nur als letztes Mittel in Betracht ziehen können, als ultima ratio. Eine Versammlung dürfte auch nicht so ohne weiteres aufgelöst werden, weil einige Personen Rechte verletzen. Ein derart intensiver Grundrechtseingriff ist nur verhältnismäßig, wenn Rechtsverletzungen Überhand nehmen, „aus dem Ruder laufen“.

LG Hamburg, Urt. v. 4. Dezember 2007 – 324 O 794/07; Seite des Antragsgegners Stefan Niggemeier mit Einzelheiten. Zur Störerhaftung BGH, Urt. v. 19. April 2007 – I ZR 35/04, „Internetversteigerung II“, Rz. 40 f.; zur Verantwortlichkeit des Betreibers eines Meinungsforums, wenn die Identität bekannt ist vgl. BGH, Urt. v. 27. März 2007 – VI ZR 101/06, jeweils unter www.bundesgerichtshof.de. Zum Thema Übertreibung und Provokation durch Journalisten vgl. EGMR NJW 1999, 1316 – Fressoz u. Roise/Frankreich. OLG Düsseldorf, Urt. v. 7. Juni 2007 – I-15 U 21/06,JurPC Web-Dok. 77/2006; vgl. zur Störerhaftung für ein Forum auch OLG Hamburg, Urt. v. 22. August 2006 - 7 U 50/06.