Kunden können rechtmäßige Werbung verlangen

Zu den wesentlichen vertraglichen Pflichten einer Werbeagentur gegenüber ihrem Kunden gehört auch die Kontrolle, ob eine geplante Werbemaßnahme mit dem Recht vereinbar ist. Welche Prüfungs- und Beratungspflichten zumutbar sind, hängt vom Auftrag ab.

Kurze Deadlines, für Anwaltskosten kein Posten im Budget, der Kunde verlangt zudem möglichst dreiste Werbung – obwohl die „Geiz ist geil“-Ära vorbei ist. Muss die Werbeagentur selbst unter solchen Bedingungen die Rechtmäßigkeit ihrer Werbung „liefern“?

Ja. Rechtswidrige Werbung ist mangelhaft, sie ist für den Kunden nicht verwendbar. Wird eine Kampagne aufgrund einer Missachtung von Gesetzen gestoppt, werden Werbeziele unerreichbar. Zwar kann rechtswidrige Werbung unentdeckt oder unbeanstandet bleiben oder auch erst nach Abschluss der Kampagne untersagt werden. Die Werbung ist jedoch auch in diesem Fall mangelhaft, weil sie das Risiko eines Schadens in sich birgt. Der Kunde erwartet einen unbedenklichen Einsatz. Er wird vernünftigerweise kein Risiko eingehen und Maßnahmen beauftragen, die einzustellen sind – ggf. mit Kostenfolgen und Imageschaden. Hiervor ist der Kunde auf der Grundlage des Auftrags (zumeist ein Werkvertrag) zu bewahren.

Daraus folgt z. B.: Eine Agentur, die eine Marke zu entwickeln hat, muss den Gestaltungsvorschlag grundsätzlich so ausarbeiten, dass er markenrechtlich unbedenklich und schutzfähig ist. Bei einem geplanten Internet-Shop hat die Agentur die Information über ein Widerrufs- und Rückgaberecht anzubringen. Sie ist ebenso verantwortlich für die zugunsten des Kunden veranlasste Versendung unverlangter und damit rechtswidriger Werbemails.

Zumubarkeit als Grenze

Die Grenzen der Pflicht, auch für die Rechtmäßigkeit der Werbung einzustehen, ergeben sich aus der Zumutbarkeit im konkreten Einzelfall. Dass der Kunde möglichst dreiste Werbung verlangt, und das auch noch „asap“, entbindet die Werbeagentur nicht. „Schnellschüsse“ sind üblich, die Agentur muss damit umzugehen wissen. Die Zeit für eine rechtliche Absicherung bzw. Beratung (durch einen Anwalt) ist einzuplanen. Auch anwaltliche Kosten der Rechtsprüfung stehen einer Zumutbarkeit nicht entgegen, sie sind in die Kalkulation einzustellen. Besitzt der Kunde selbst die erforderlichen Rechtskenntnisse oder unterhält er z. B. eine eigene Rechtsabteilung, ist die Werbeagentur ebenfalls nicht ohne Weiteres von ihren Prüfungspflichten entbunden. Eine wesentliche Vertragspflicht lässt sich nicht allein dadurch aufheben oder auf den Vertragpartner abwälzen, wenn dieser selbst zu deren Erfüllung in der Lage wäre.

Welche Prüfungs- und Beratungspflichten zumutbar sind, hängt wesentlich ab von Auftragsumfang und Höhe der Vergütung. Bei einer groß angelegten und teuren Werbekampagne kann die Agentur zu umfassender rechtlicher Prüfung verpflichtet sein. Prüfungspflichten bestehen aber auch dann, wenn die Agentur nur die Werbekonzeption bis zur Präsentation leistet, an der Umsetzung aber nicht mehr beteiligt ist. Hierdurch hat sie die rechtswidrige Grundlage für die Folgemaßnahmen bereits geschaffen. Realisiert die (Kreativ-) Agentur ein fremderstelltes Konzept, muss sie die Rechtmäßigkeit der Vorleistungen grundsätzlich überprüfen. Dies gilt auch bei einem Subauftrag einer Agentur an eine andere.

Beratungspflichten der Agenturen

Erschöpft sich der Auftrag darin, für die (drucktechnische) Vervielfältigung oder Streuung fremdkonzipierter und -umgesetzter Werbemittel zu sorgen, fehlt der Agentur der Einfluss auf die bereits umgesetzte Werbekonzeption. Hier kann sie aber eine Pflicht zur Beratung über die Zulässigkeit des Werbemitteleinsatzes treffen, aufgrund derer sie zur Vermeidung unnötiger Kosten bereits von der Vervielfältigung abzuraten hätte. Als Fachdienstleisterin ist es der Agentur möglich und zumutbar, auf ihr bekannte sowie auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße hinzuweisen. Mit diesen Maßstäben haftet etwa eine auf den Bereich der Pharmazie spezialisierte Agentur für folgende irreführende Werbung „Der neue Fett-Fresser aus der Apotheke: Die Pille, die das Fett aufsaugt!“. Bei der werbefachlichen Beratung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Kunde ist unmissverständlich und notfalls eindringlich auf eventuelle rechtliche Bedenken hinzuweisen – was von der Agentur im Streitfall zu beweisen ist.

Je nach Einzelfall kann eine Prüfungspflicht der Werbeagentur aber auch ganz entfallen. Dies gilt etwa, wenn eine Media-Agentur nur beauftragt ist, für die Platzierung von Werbung eines Unternehmens in Werbeträgern zu sorgen, ohne die inhaltliche Gestaltung der Werbung überhaupt zu kennen.

Vertragliche Vereinbarungen und ABGs?

Kann die Agentur die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit auf den Kunden abwälzen?

Bei der Werbekonzeption und ihrer Umsetzung trifft die Werbeagentur eine wesentliche Vertragspflicht zur Herstellung rechtmäßiger Werbung. Eine Abweichung von dem Grundsatz, dass der Kunde, anders als üblich, die rechtliche Zulässigkeit der Werbung zu prüfen habe, bedarf deshalb einer unmissverständlichen Vereinbarung. Ein bloßer Hinweis reicht nicht. Die Agentur lässt sich am besten (im Vertrag) schriftlich bestätigen: „Der Kunde wird die Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung auf ihre rechtliche Unbedenklichkeit selbst prüfen/prüfen lassen, insbesondere anhand der Vorschriften des Wettbewerbs-, des Marken- und Kennzeichenrechts sowie des Urheberrechts.“

Durch eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) ist die wesentliche Vertragspflicht zur Beachtung des Rechts bei Konzeption und Umsetzung von Werbemaßnahmen nicht auszuschließen. Dies gilt selbst dann, wenn der Kunde Kaufmann ist. Eine solche Klausel benachteiligt ihn unangemessen, sie gefährdet die Erreichung des Vertragszwecks wie ausgeführt: durch rechtswidrige Werbung werden Werbeziele unerreichbar.Bei der Werbemittelvervielfältigung und -streuung fehlt der Agentur der Einfluss auf die von einem Dritten bereits umgesetzte Werbekonzeption, sie ist diesbezüglich auch nicht beauftragt. Daher besteht grundsätzlich „nur“ eine vertragliche Nebenpflicht zur Beratung. Hier wird eine Abwälzung der rechtlichen Prüfung auf den Kunden durch AGBs für möglich gehalten. Besser ist eine Individualvereinbarung wie oben beschrieben.

Zum Thema „Geiz war geil“ vgl. Waldermann, Anselm, Artikel vom 29. Mai 2007, Spiegel-Online. Zur Haftung der Werbeagentur: OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.3.2003 – I-5 U 39/02: Rechtswidrige Werbe-Mailings, JurPC Web-Dok. 269/2003 (www.jurpc.de). Umfassende weitere Informationen im Aufsatz von Nennen Vertragspflichten und Störerhaftung der Werbeagenturen GRUR (Fachzeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht) 2005, S. 214 ff.